Auf Deutschlands Straßen geht es immer rücksichtsloser und aggressiver zu. Das zeigt eine große Befragungsstudie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zur Sicherheit im Straßenverkehr, die unter anderem in 16 Fragen die entsprechenden Einstellungen ermittelt hat. Gegenüber den Vorgängerstudien haben sich alle Werte verschlechtert.
So gaben in der aktuellen Studie rund die Hälfte der Befragten an, dass sie sich zumindest gelegentlich gleich abreagieren müssen, wenn sie sich geärgert haben. Im Jahr 2016 lag dieser Wert nur knapp halb so hoch. Immerhin jeder fünfte Autofahrer „räumt“ schon einmal die Überholspur mit der Lichthupe frei. Der Vergleichswert von 2016 lag hier ebenfalls nur rund halb so hoch. Ein knappes Drittel (31 Prozent) tritt gelegentlich aufs Gaspedal, wenn sie überholt werden.
UDV-Chef Siegfried Brockmann zeigte sich bei der Vorstellung der Studie am Montag in Berlin entsetzt: „Aus Ärger oder zum eigenen Vorteil die Verletzung oder gar den Tod Anderer in Kauf zu nehmen, ist vollkommen inakzeptabel. Alle Verantwortlichen müssen jetzt im Lichte der Ergebnisse beraten, wie sich die Situation verbessern lässt.“
Die Herausforderung dabei: Zwar sehen die meisten Verkehrsteilnehmer Aggression als großes Problem, es fehlt aber das Bewusstsein, dass sie selbst dazu beitragen. Wie auch schon in den Vorjahren, unterscheiden sich Selbst- und Fremdbild der Befragten dramatisch. So antworten 96 Prozent aller Autofahrer, dass sie Radfahrer mit ausreichendem Abstand überholen, gleichzeitig aber bei 93 Prozent der anderen Autofahrer wahrnehmen, dass sie Radfahrer zu eng überholen. Die Radfahrer selbst sind in Bezug auf ihr Selbstbild nicht viel besser: Knapp die Hälfte gibt zu, gelegentlich auf den Gehweg auszuweichen, beobachtet dieses Verhalten aber bei 92 Prozent der anderen Radfahrer.
Auch in Bezug auf neuartige Risiken wie Cannabiskonsum und Nachrichten lesen und schreiben besteht wenig Hoffnung auf Besserung. Zwar sind die Werte hier noch vergleichsweise gut, allerdings zeigt sich in der jüngeren Generation ein ungünstigeres Verhalten und ein deutlich geringeres Problembewusstsein.
Weitere Ergebnisse der Studie, die seit 2010 in regelmäßigen Abständen durchgeführt wird: Die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer in Deutschland fühlt sich sicher oder sehr sicher im Straßenverkehr. Der Wert hat sich von 55 Prozent im Jahr 2019 geringfügig auf 56 Prozent erhöht. Grundsätzlich fühlen sich Männer (64 Prozent) deutlich sicherer als Frauen (49 Prozent). Nicht überraschend also, dass sich Frauen deutlich häufiger für schärfere Maßnahmen zugunsten der Verkehrssicherheit aussprechen. Beides zeigte sich auch in allen Vorgängerstudien. Bei den Maßnahmen selbst wird eine Null-Promille-Regelung mit 68 Prozent am häufigsten gewünscht. Dieser Wert war allerdings 2019 noch um 8 Prozent höher. Nicht verändert hat sich die knappe Befürwortung (53 Prozent) von Tempo 130 auf Autobahnen.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherer in Deutschland. Die rund 460 Mitgliedsunternehmen sorgen durch 454 Millionen Versicherungsverträge für umfassenden Risikoschutz und Vorsorge sowohl für die privaten Haushalte wie für Industrie, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen. Als Risikoträger und bedeutender Kapitalgeber mit Kapitalanlagen in Höhe von 1,8 Billionen Euro haben die privaten Versicherungsunternehmen auch eine herausragende Bedeutung für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung in der deutschen Volkswirtschaft. 487.500 Menschen sind für die Versicherungswirtschaft in Deutschland tätig.
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Unfallforschung der Versicherer / Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
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