Sie gehen vom Gas, beobachten das Geschehen, anstatt zu helfen, oder filmen sogar mit dem Smartphone: Schaulustige erschweren die Arbeit der Einsatz- und Rettungskräfte bei Unfällen auf Autobahnen. Dabei ist die Neugier Schaulustiger nicht nur für die Unfallopfer belastend, sie sorgt zudem für gefährliche Abbremsmanöver auf der Gegenfahrbahn und zusätzliche Staus. Mit mobilen Sichtschutzwänden beteiligt sich der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen am Kampf gegen so genannte „Gaffer“. Rund 470.000 Euro aus Bundesmitteln hat der Landesbetrieb in insgesamt zwölf Sichtschutzsysteme investiert. Landesverkehrsminister Michael Groschek hat die mobilen Wände am Freitag (24.4.) in der Straßen.NRW-Autobahnmeisterei Kaarst präsentiert.
Jedes der zwölf Systeme besteht aus einem Anhänger mit 40 einzelnen Stahlrahmen (aufgestellt jeweils 2,5 Meter lang und 2,1 Meter hoch), in denen jeweils eine grüne, blickdichte Folie verspannt ist. Vor Ort angekommen, können die Mitarbeiter der jeweiligen Autobahnmeisterei somit eine bis zu 100 Meter lange, undurchsichtige Wand errichten. Die zwölf Anhänger sind so auf die Meistereien im Land verteilt, dass das rund 2.200 Kilometer umfassende Autobahnnetz in Nordrhein-Westfalen komplett abgedeckt werden kann.
„Die Sichtschutzzäune sind ein Element, um Staus und Unfälle zu vermeiden. Schaulustige oder Autofahrer, die sich reflexartig vom Geschehen auf der Gegenfahrbahn ablenken lassen, bekommen nichts mehr zu sehen. Gleichzeitig werden die Persönlichkeitsrechte von Unfallopfern und Rettungskräften geschützt. Es ist gut, dass Straßen.NRW dieses System zusammen mit der Polizei getestet und ausgewertet hat, und dass die Sichtschutzelemente jetzt für alle Autobahnabschnitte verfügbar sind“, sagte NRW-Verkehrsminister Michael Groschek.
In den Niederlanden sind mobile Sichtschutzzäune bereits ein gewohnter Anblick. Seinen Weg nach Deutschland fand das System durch den Wettbewerb „Gute Ideen gegen den Stau“ bei Straßen.NRW. Gerd Klems, Mitarbeiter des Landebetriebes, schlug die grünen Wände vor. Zunächst startete ein einjähriges Pilotprojekt im Zuständigkeitsbereich der Autobahnmeisterei Kaarst. Insgesamt sieben Mal kam der Sichtschutz dabei zum Einsatz.
„Wenn es für die anderen Verkehrsteilnehmer durch die grüne Wand im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu sehen gibt, haben sie auch keinen Anlass, ihre Neugier zu befriedigen“, erläutert Winfried Pudenz, Hauptgeschäftsführer von Straßen.NRW. „Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass dieser Grundgedanke nicht nur theoretisch funktioniert. Der Verkehr fuhr bei den Tests flüssiger am Unfallort vorbei, da die Autofahrer nicht abgelenkt waren. Staus bauten sich nach dem Errichten der Wände schneller wieder ab. Hinzu kommt ein psychologischer Effekt: Polizei-, Rettungs- und Bergungskräfte, die hinter dem Sichtschutz tätig waren, fühlten sich subjektiv sicherer.“
Ob und wann die zuständige Autobahnmeisterei von Straßen.NRW künftig nach einem Unfall eine Sichtschutzwand aufbaut, entscheidet die Polizei am Ort des Geschehens. Ausschlaggebend ist dabei nicht nur die Frage, wie „spektakulär“ – und somit potenziell ablenkend für andere Verkehrsteilnehmer – ein Unglück ist. Da es je nach Tageszeit und Unfallstelle bis zu 100 Minuten dauern kann, bis die Elemente vor Ort und aufgebaut sind, muss der Einsatzleiter zuvor abschätzen, wie lang Rettung und Räumung an der Unglücksstelle voraussichtlich laufen. Hinzu kommen äußere Umstände, so darf die Windstärke maximal Stufe fünf erreichen.
Die einzelnen Standorte der zwölf Sichtschutzsysteme:
Autobahnmeisterei (AM) Dortmund, AM Herford, AM Isselburg, AM Kaarst, AM Leverkusen, AM Lüdenscheid, AM Münster, AM Ratingen, AM Recklinghausen, AM Titz, AM Weilerswist, AM Werl
– Pressemeldung vom Landesbetrieb Straßenbau NRW –